Entscheidend ist der Business-Nutzen und nicht die Wünsche der User

Gespräch mit Gernot Schäfer, Vice President, ROI-EFESO


DIALOG: Welche Software-Investitionen lassen sich den CapEx zurechnen?

GS: Zu den Software-CapEx gehören alle Investitionen, die sich direkt der Lösung als aufzubauendem Asset zuordnen lassen. Diesen Rahmen kann man unterschiedlich auslegen, in Abhängigkeit von der Finanzstrategie und den lokal gegebenen bilanziellen Aktivierungsmöglichkeiten. Dabei kann es sich um neu implementierte Systeme einschließlich des Implementierungsaufwands handeln, aber auch um Ersatzinvestitionen, etwa bei sehr großen Upgrades und Versionswechseln. 

 

DIALOG: Welche Bedeutung hat in diesem Kontext die Nutzung von KI-Technologien?

GS: Mit KI schaffen Unternehmen weitere CapxEX-relevante Assets, etwa durch individuelle Kontexte, in denen KI trainiert und weiterentwickelt wird. Ein unternehmensspezifisches LLM (Large Language Model) aufzubauen ist aktivierungsfähig und kann den CapEx zugeordnet werden.

 

DIALOG: Welche Optimierungsansätze für Software-CapEx haben sich bewährt?

GS: Der erste Punkt ist die Plattform-Strategie. Hier lassen sich generell zwei gegensätzliche Strategien beschreiben, die je nach Kontext und Ausgangssituation sinnvoll sein können. Entscheidet man sich für einen „Best of Breed“- oder einen One-Platform-Ansatz? Der One-Platform-Ansatz reduziert die CapEx. Komplexität und Kostenrisiken sinken und die Verhandlungsposition gegenüber dem Anbieter wird stärker. Aber es gibt dabei auch eine andere Seite. So ist etwa die Zusammenarbeit mit Anbietern, die eine Komplettlösung bereitstellen, häufig kostenintensiv und kann bestimmte Wachstumsmodelle nicht immer effizient abbilden. Das gilt etwa für Zukäufe von kleineren Unternehmenseinheiten, die Skalierbarkeit oder die Betreuung kleinerer Einheiten. Aus dieser Perspektive können auch „Best-of-Breed“-Ansätze für bestimmte Anwendungsfelder oder Geschäftseinheiten sinnvoll sein. Vorsicht ist bei der Verbindung dieser beiden Ansätze geboten. Sie ist nicht trivial und führt sehr häufig zu höherer Komplexität in Teilen der Gesamtlandschaft und damit auch zu höheren Kosten und technischen Herausforderungen.

 

DIALOG: Welche weiteren Aspekte spielen neben der Plattform-Strategie eine Rolle?

GS: Man sollte Technologieentwicklungen am Markt, die Innovationspotenziale sowie die Roadmaps der großen Systemanbieter genau beobachten und analysieren, etwa in Bereichen wie Cloud, Edge oder IIoT, und die Chancen nutzen. Das ist der zweite Pfeiler mit Blick auf das Management von Software-CapEx. Der dritte Pfeiler ist Governance. Es geht darum, nicht nur die Process Owner, sondern auch das Business in die Ergebnis- und Kostenverantwortung zu bringen. Der vierte Aspekt ist Demand Management. Man sollte den Business-Nutzen in den Vordergrund stellen und nicht die User-Wünsche. Das ist heute vielfach anders, die IT ist stark von den Anwendern getrieben und nicht von den Notwendigkeiten der Geschäftsstrategie. Häufig fehlen der IT das Verständnis für die Anforderungen der Fachbereiche und ein tiefes Verständnis der Business-Prozesse. 

Man muss sich auf die strategisch relevanten Anforderungen konzentrieren. Und schließlich ist das IT Supply Management zu betrachten. Der Aufbau eigener Ressourcen kann CapEx reduzieren. Die Kernkompetenzen im Prozess- und IT-Alignment in einem eigenen Kernteam zu bündeln, das weltweit im strategischen Bereich der IT agieren kann, ist sinnvoll. Dabei gibt es allerdings eine Reihe von erfolgskritischen Faktoren auf der Organisations- und Personalebene. Man braucht bspw. Verständnis für die unterschiedlichen Rollen eines Solution Managers und eines Solution Architects. 

 

DIALOG: Welche Trends der Softwarewelt wirken sich auf diese Ansätze aus? 

GS: Von zentraler Bedeutung sind IIoT-Plattformen.Es gibt am Markt immer mehr Spezialanbieter und innovative Lösungen. Wir bewegen uns dabei in eine Welt von Apps und Container-Systemen, wodurch ein neues Ökosystem am Markt entsteht. Dabei geht es nicht nur um Apps auf einer Plattform, sondern auch um Orchestrierung und Synchronisierung von Daten und Anwendungen im Prozesskontext. Die Anbieter selbst sprechen hier von Composite Applications. Sie betonen die Interoperabilität ihrer Plattform und ihre Containerbasierte Logik und erlauben Fremdanwendungen auf ihren Plattformen. Das kann man sich zunutze machen und modulare Lösungen auf der Basis von Technologieplattformen in Bereichen wie ERP und MES gestalten. Dadurch kann man Bedarfe besser steuern und eine CapEx-Reduktion erzielen. 

 

DIALOG: Was bedeutet vor diesem Hintergrund das Zusammenwachsen von IT und OT und das IoT? 

GS: Das Kernproblem in vielen Digitalisierungsprojekten ist häufig die IT-OT-Divergenz. Die Corporate IT eines Konzerns koexistiert mit der OT-Welt in den weltweit verteilten Werken. In dieser lokalen Welt sind über Jahre Technologien an und um den Shopfloor, um die Maschine herum entwickelt und betrieben worden. Diese Situation wird in der Future Factory, wo die OT- und IT-Lösungswelt im Sinne der End-to-End-Logik integriert werden müssen, zum Problem. Erforderlich ist deshalb ein Kooperations- und Governance-Modell, das einer globalen Skalierung gerecht wird und diese beiden Welten integriert. Dabei muss man natürlich genau verstehen, warum und wie die OT-Welten ihre eigenen Lösungen entwickelt haben und wie das Zusammenspiel technologisch und organisatorisch zu gestalten ist – etwa im Hinblick auf Security-Anforderungen, die mit den oft veralteten Systemen der OT-Welt kollidieren. Fehlt dieser Grad an Konkretheit, besteht das Risiko, dass Projekte auf einer abstrakten Metaebene bleiben. 

Interview-Partner

Gernot Schäfer, Vice President, ROI-EFESO

Seit über 30 Jahren unterstützt Gernot Schäfer Unternehmen bei ihrer strategischen Ausrichtung in den Bereichen „Operational Excellence“ und „Digitalisierung“. Sowohl in der Prozessindustrie als auch in der diskreten Fertigung bringt er zudem neue Informationstechnologien in eine ergebnisstarke Anwendung.