CapEx-Optimierung reicht nicht – es muss vor allem schnell geschehen
Gespräch mit Jost Kamenik, CEO, TSETINIS-EFESO und Thomas Plasa, Partner, TSETINIS-EFESO
DIALOG: Herr Kamenik, in den vergangenen Jahren haben sich die finanziellen Rahmenbedingungen und das Investitionsumfeld für Unternehmen deutlich verschlechtert. Wie schwerwiegend sind diese Veränderungen?
JK: Das, was wir in der Industrie sehen, ist eine massive Verschärfung der Zinssituation und der Kosten der Refinanzierung. Über lange Zeit war das Geld so billig, dass selbst große Schulden gut finanzierbar waren. Diese Situation hat sich in dramatischer Geschwindigkeit verändert, die Zinsniveaus sind exorbitant gestiegen. Gleichzeitig hat die Abkühlung der Märkte vielfach dazu geführt, dass Liquidität knapp geworden ist. Häufig sind die Kreditratings der Unternehmen gesunken, teilweise auf Niveaus, bei denen institutionelle Investoren kein Geld mehr anlegen dürfen. Das führt wiederum zur weiteren Verteuerung der Kredite. Diese Entwicklung fällt in eine Zeit stagnierender oder schrumpfender Märkte und transformativer Umbrüche. Es wird also sehr viel Geld sowohl für Zinszahlungen und Restrukturierungsmaßnahmen als auch für Investitionen in neue Technologien benötigt. Deswegen gewinnt die CapEx-Optimierung rasant an Bedeutung. Das ist der Hebel, um Liquidität freizusetzen, Kreditratings zu stabilisieren und anstehende Ausgaben sehr schnell zu reduzieren. Übliche CapEx-Ansätze, die oft einen Horizont von 18 Monaten haben, reichen nicht aus, um die Situation in den Griff zu bekommen. Diese Zeit haben viele Unternehmen nicht mehr.
DIALOG: Haben sich die Unternehmen in der Vergangenheit nicht gegen Zinsschwankungen abgesichert, Herr Plasa?
TP: Natürlich gibt es unterschiedliche Finanzierungsarten und unterschiedliche Fälligkeiten. Aber die Zeit des billigen Geldes ging in einer Art perfekten Sturms zu Ende: sehr abrupt und in dieser Intensität unerwartet. Man hatte sich in der Vergangenheit eine gewisse Anfälligkeit erlaubt, aus dem Gedanken heraus, dass sich Dinge nicht von jetzt auf gleich verändern können. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Veränderung waren überraschend und haben die Planungsgrundlagen der Industrie obsolet gemacht. Nun muss sehr schnell gehandelt werden. Das ist innerhalb bestehender Strukturen nicht einfach. Typischerweise kann man existierende Werke nicht einfach abwickeln, die Restrukturierungskosten wären kaum zu stemmen. Und gleichzeitig erfordern strategisch wichtige Märkte und Technologien weitere Investitionen. Heute getätigte Investitionen amortisieren sich allerdings erst in mehreren Jahren. Die Entscheidungen werden deshalb intensiv hinterfragt, weil jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Anders formuliert: Man nimmt sich Zeit, die eigentlich nicht da ist.
DIALOG: Wie kann unter diesen Voraussetzungen schnell und effektiv gehandelt werden?
TP: Man muss die Zeit für die Analyse wesentlich verkürzen, alle relevanten Kompetenzen in den Projekten bündeln und eine hohe Flexibilität gewährleisten. Man kann das am Beispiel E-Mobilität gut illustrieren: In diesem Segment gibt es Hersteller, die darauf setzen, komplette Werke auf E-Mobilität hin umzugestalten. Andere bleiben offen und überlassen die Entscheidung ihren Kunden. Man muss in der Lage sein, für beide Strategien die richtigen Optimierungsansätze zu finden und die potenziellen Investitionsbedarfe für Neu- und Umbau über lange Zeiträume hinweg genau zu erkennen – im Hinblick auf Betreiberkonzepte, Personaleinsatz, Energie- und Flächenbedarfe, Fördertechnik, Produktionstechnologien oder IT.
Eine zentrale Aufgabe liegt in der Portfolioanalyse und -bereinigung, in der Klärung der Frage, wo das künftige Kerngeschäft liegt. Eine wichtige Rolle spielen auch die Auswahl angemessener Betriebsszenarien und die Integration unterschiedlicher Partner in ein Betriebsmodell, die Verteilung von CapEx. Darüber hinaus bestehen auch Möglichkeiten, durch den Einsatz digitaler Technologien eine CapEx-Flexibilisierung zu erreichen. Eine besondere Bedeutung hat die Analyse des Umfeldes. Es ist wichtig, genau zu verstehen, in welchen Regionen bestimmte steuerliche Anreize und Subventionsmöglichkeiten bestehen und wie sich diese auf Produkt- und Investitionskosten auswirken können. Hinzu kommt, dass Unternehmen häufig keine Transparenz über die Optimierungspotenziale in ihrem CapEx-Bestand haben und dadurch immense Beträge verloren gehen.
DIALOG: Wird diese Aufgabe zunehmend anspruchsvoll?
TP: Ja. Wir müssen davon ausgehen, dass sich künftig während der Amortisationsdauer eines Werks die Verfahrens- und Herstelltechnik deutlich verändert. Oder, um das Beispiel „Elektromobilität“ nochmals aufzugreifen, dass mehrere Generationswechsel bei Batterien erfolgen, einschließlich des Designs der Batterie selbst oder der Zellmodule. Man muss also sehr gut zwischen Chancen und Risiken abwägen, um einen Investitions- und Ausbauplan aufzustellen sowie die richtige Balance zwischen CapEx und OpEx zu finden, und die richtigen Weichen stellen, um auf Marktgegebenheiten kurzfristig reagieren zu können.
JK: Es gibt immer häufiger signifikante Technologiewechsel, was zu deutlich niedrigeren Volumen führt. Das erfordert eine höhere Flexibilität im Hinblick auf Investitions- und Betriebskosten, die stärker in den Business Case integriert werden müssen. Hinzu kommt die Bepreisung von CO2-Emissionen als neuer Determinante in der Investitionsplanung. Entscheidungen lassen sich nicht mehr wie in der Vergangenheit nahezu ausschließlich vor dem Hintergrund langläufiger Produktkosten treffen.
Dieses komplexe Zusammenspiel niedriger Volumen, schneller Technologiewechsel, der Berücksichtigung von Investitions- und Betriebskosten und der Nachhaltigkeitskosten als neuer Dimension bringt viele Unternehmen an ihre Grenzen. Das ist gefährlich, denn allein durch die unzureichende Betrachtung der CO2-Bepreisung können Business Cases künftig kollabieren. Es geht also um Entscheidungen, die die CapEx betreffen, aber auch eine enorme strategische Bandbreite haben, um eine Balance zwischen der heutigen Stabilität und einer nachhaltigen Zukunftsperspektive.
Interview-Partner
Jost Kamenik, CEO, TSETINIS-EFESO
Jost Kamenik hilft Unternehmen dabei, profitabel zu wachsen. Mit besonderem Fokus auf die Optimierung von OpEx, CapEx oder auch Nachhaltigkeitsthemen unterstützte er in den letzten 25 Jahren einige der komplexesten Programme für Global Player in den Bereichen Automobil, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Maschinenbau und Finanzen in der EMEA-Region sowie in den USA.
Thomas Plasa, Partner, TSETINIS-EFESO
Mehr als 300 Projekte in den Bereichen Restrukturierung, Turnaround Management, Supply Chain-Optimierung, Performance Management und Kostensenkung verwirklichte Thomas Plasa bereits erfolgreich mit internationalen Unternehmen. Insbesondere im Kontext der Transformation der Automobilindustrie entwickelt er mit seinen Kunden innovative Lösungen zu Produkt-, Prozess- und Strukturanpassungen.