Nur wenn man sich konsequent vom Alten löst, lassen sich CapEx-Potenziale heben

Gespräch mit Dr. Christian König, Principal, ROI-EFESO


DIALOG: Welche Investitionen lassen sich im IT-Kontext als CapEx bezeichnen?

CK: Es geht um Investitionen, die künftig aktivierbar sind und einen Mehrwert schaffen. Softwarelösungen sind langfristige, immaterielle Vermögenswerte. Hierzu zählen Lizenzen, Entwicklungsarbeit sowie Implementierungs- und Projektkosten. Und schließlich gehören auch die notwendige Hardware sowie die Betriebs- und Nutzungskosten der Applikationen dazu. Im Unterschied zu physischen Gütern wird Software schneller und flexibler abgeschrieben, etwa im Fall von abzugsfähigen Betriebskosten.

 

DIALOG: Welche Optionen bestehen für die Flexibilisierung der Kostenstruktur, zum Shift von CapEx zu OpEx?

CK: Interessant wird es mit Blick auf Cloud-basierte SAS-Betriebsmodelle, für die keine Initialinvestitionen getätigt werden müssen. Auch klassische Kernsysteme wie ERP, CRM oder MES entwickeln sich zunehmend in diese Richtung. 

Wichtig ist ein positiver Blick auf langfristige Investitionen, die auch einen langfristigen Mehrwert schaffen. Es geht um enorme Größenordnungen und vielfältige Kostentreiber. Als Benchmark lässt sich festhalten, dass bis zu 5% des Jahresumsatzes in die Implementierung von Unternehmenssoftware fließen. 

Deswegen ist der Blick darauf entscheidend, welchen Beitrag diese Investitionen zu Prozessverbesserung und Effizienzsteigerung leisten und wie gut ein Business Case, der die übergeordneten strategischen Unternehmensziele berücksichtigt, aufgebaut ist. Implementierungs- und Transformationsprojekte mit hohem Investmentvolumen müssen einen klaren Mehrwert für das Business bringen, sie müssen Kosten einsparen und die Organisation schlagkräftiger machen. 

In der Realität passiert häufig das Gegenteil und die aus dem Business getriebene Perspektive kommt zu kurz. Man geht mit dem Konsolidierungs- und Harmonisierungsgedanken in die Transformation rein und kommt mit noch komplexeren Systemschnittstellen und Prozessmodellen raus. Das geschieht, weil man die Business-Anwender verliert, Neues einführt, ohne sich vom Alten konsequent zu lösen, oder den Fokus auf Komplexitätsreduktion nicht konsequent durchhält.

 

DIALOG: Wo liegen weitere Herausforderungen beim Management von IT CapEx

CK: Wir haben es heute im Industrieumfeld mit einer zunehmend heterogenen, dynamischen Landschaft zu tun. Es gibt wesentlich mehr Anbieter und dadurch mehr Möglichkeiten, einzelne Lösungen modular zusammenzubauen. Es ist deutlich  anspruchsvoller geworden, das passende Technologieportfolio zusammenzubauen, und der Schein einer „Best of Breed“-Lösung als Allheilmittel für die IT-Architektur trügt. Es ist deshalb entscheidend, industrielle Logik, Business-Perspektive und digitale Systemperspektive zu verbinden. Das bedeutet konkret, von der Unternehmensstrategie ausgehend, den Fokus auf die richtigen Geschäftsprozesse und die Wertschöpfung zu legen und das Entscheidungsfeld entsprechend zu strukturieren. Neue Systeme und Cloud-Transformationen allein können keine Geschäftsprozesse heilen. Softwareprojekte mit langfristiger Wirkung müssen aus der Geschäftslogik entstehen – und nicht aus der Eigenlogik der IT.

 

DIALOG: Langfristige Investitionen in Software sind kaum oder nur mit hohem Aufwand reversibel. Wie kann man vor diesem Hintergrund die Risken reduzieren?

CK: Das System muss atmen und sich anpassen können. Je modularer man konzipiert, desto flexibler kann man das Lizenz- oder SAS-Konstrukt aufbauen und dadurch den Anteil irreversibler Investitionen reduzieren. Man darf allerdings die Modularität nicht auf die bestehende Struktur aufsetzen, ergo man läuft in die „Best of Breed“-Falle. Es ist kein sinnvoller Ansatz, die Komplexität und Ineffizienz der Legacy-Systeme lediglich auf neue Weise zu verwalten. Teilweise kann es sinnvoll sein, neue Geschäftsmodelle von der bestehenden Systemlandschaft abzukoppeln, um sie nicht mit dieser Komplexität zu belasten. Das bedeutet nicht, das „Davonlaufen vor CapEx“ zu einer generellen Strategie zu machen. Aber es sollte in jedem Fall vermieden werden, dass man am Ende sowohl CapEx als auch zusätzliche OpEx hat. Und dieser Fall tritt häufig ein.

 

DIALOG: Wann lohnt es sich, entsprechende Investitionen auf sich zu nehmen und nicht auf Standards zu setzen?

CK: Die Frage ist, welche Systeme und Applikationen als differenzierender Innovationstreiber betrachtet werden können. Wenn man tiefer in die Fabrik reingeht, die Anlagentechnik und die Fertigungsverfahren betrachtet, zeigt sich, wo wirklicher Wert entsteht: dort, wo IT und OT integriert werden müssen. Hier zeigen sich die zwei Seiten von CapEx: Man kann Investitionen reduzieren und die Effizienz steigern durch das Standardisieren und Modularisieren. Oder man kann sie dort gezielt einsetzen, wo manifeste Differenzierungspotenziale vorhanden sind, etwa durch einzigartige Technologien oder einen besonderen Datenbestand.

 

DIALOG: Die Kunst liegt also darin, Software-Investitionen dorthin zu leiten, wo sie langfristig differenzierend wirken?

CK: Ja. CapEx sollten fokussiert werden auf die Nutzung der Daten oder Informationen, die einen Mehrwert im Business-Modell bringen. Es geht um die Bereiche, in denen langfristig relevantes Know-how aufgebaut wird, die am Markt kapitalisierbar ist. Heute fließt jedoch ein Großteil von CapEx in Systeme, die Commodity sind.

 

DIALOG: Welche Rolle spielt künftig das Thema Security im Kontext von Software-CapEx?

CK: Es gibt – getrieben durch die fortschreitende Digitalisierung, die Integration von IT und OT, den Siegeszug der KI und (als eher langfristige Perspektive) Quantum Computing einen wachsenden Bedarf an Security-Aufwendungen. Hier baut sich potenziell ein CapEx-Berg auf, der nicht aktivierbar ist. In der Welt, die wir heute sehen, müssen die Investitionen in Daten und Systeme nachhaltig geschützt werden. Hier stellt sich deshalb ebenfalls die Frage, welche Security-Fähigkeiten als Service eingekauft werden können oder sogar müssen, weil kein Unternehmen das Thema in eigener Regie managen und mit den Ressourcen der großen Plattformanbieter mithalten kann. An diesem Beispiel lassen sich viele Aspekte der Diskussion rund um das Management von CapEx illustrieren.

Interview-Partner

Dr. Christian König, Principal, ROI-EFESO

Christian König begleitet Unternehmen in der digitalen Transformation. Gemeinsam mit seinen Kunden aus der Fertigungsindustrie fokussiert er sich dabei auf die Prozess- und IT-Harmonisierung. Zudem richtet er Unternehmen mit Industry 4.0 Assessments und einem effizienten Supply Chain Management auf die Zukunft aus.