Eine standortübergreifende Perspektive offenbart erhebliche Potenziale zur CapEx-Reduktion
Gespräch mit Dr. Thomas Troll, Senior Vice President, ROI-EFESO
DIALOG: Bei nachhaltiger Kostenreduktion stehen sowohl Betriebskosten als auch langfristige Investitionskosten im Fokus. Wo liegen die wesentlichen Unterschiede?
TT: Ein wesentlicher Teil der CapEx geht in Gebäude und Anlagen, das macht eine andere Herangehensweise erforderlich als bei klassischen Prozessthemen. Denn ist die Investition einmal getätigt, muss man mit den Gegebenheiten umgehen – den Fokus auf bessere Nutzung legen. CapEx entstehen zunächst dort, wo neu investiert wird. Aktuell werden bspw. weltweit mehrere Gigafactories gebaut, was auch Investitionen in zugehörige Infrastrukturen, Entwicklungszentren und vieles mehr nach sich zieht. Wichtig sind aber auch die notwendigen Ersatz- und Verbesserungsinvestitionen, oftmals im Zusammenhang mit einer Rationalisierung. Das betrifft etwa Maschinen, mit denen zwar weiterhin produziert werden könnte – jedoch nicht so gut und schnell wie mit neuen Anlagen.
DIALOG: Durch welche Ansätze lassen sich langfristige Investitionen vermeiden?
TT: Ein wesentlicher Hebel ist die Kapazitätsbetrachtung. CapEx werden häufig von einem angenommenen Kapazitätsbedarf getrieben, etwa im Hinblick auf neue Maschinen. Eine wichtige Frage ist deshalb, ob das vorhandene Anlagenspektrum effizient genutzt wird. Der erste Blick gilt hier der Total Effective Equipment Performance (TEEP). Denn oftmals stehen vorhandene Kapazitäten lange still, werden schlecht gewartet, lange gerüstet, oder es entstehen fehlerhafte Produkte, die gar nicht entstehen müssten. Die gleiche Betrachtungsweise gilt auch für die Flächenproduktivität. Natürlich kann eine zu große Verdichtung und zu intensive Auslastung auch kippen und zu Ineffektivität führen. Hier kommt es auf eine angemessene Balance an. Ein weiterer interessanter Aspekt ist die differenzierte Betrachtung der Automatisierung. Der Trend in der Industrie ging über viele Jahre in Richtung einer Hochautomatisierung. Das umfasste auch Produkte, bei denen das nicht zwingend notwendig ist, erst recht, wenn die Produktion gleichzeitig in Best-Cost Countries ausgelagert wurde. Dieser Trend wird heute von immer mehr Unternehmen kritisch hinterfragt. Hier entstehen neue Ansätze, etwa sogenannte Flex Lines, die bei Bedarf mit zusätzlichen Mitarbeitern bestückt werden können und dafür viel weniger Investitionen benötigen.
DIALOG: Welche Bedeutung hat Outsourcing im CapEx-Kontext?
TT: Outsourcing ist ein wichtiges Instrument, denn nicht jede Investition ist langfristig richtig und notwendig. Aus unternehmerischer Sicht kann es sich durchaus lohnen, die eigenen Anlagen voll auszulasten und die Spitzen durch externe Fertigungspartner abzufedern. Zum Teil lassen sich auch die Kosten für die Errichtung von Gebäuden outsourcen. In bestimmten Situationen kann es also durchaus sinnvoll sein, die Investitionen nicht selbst tätigen zu müssen.
DIALOG: Verändert sich die Perspektive auf die CapEx, wenn das gesamte Netzwerk betrachtet wird?
TT: Eine standortübergreifende Perspektive leuchtet zum Teil erhebliche ungenutzte Potenziale aus. Unternehmen, die mehrere Entwicklungs- oder Produktionsstandorte betreiben, haben global betrachtet häufig Überkapazitäten. Hier stellt sich die Frage, ob die Kapazitäten weltweit, zumindest jedoch regional richtig gesteuert werden und Bedarfe innerhalb des Manufacturing oder Development Footprint verteilt werden können. Entscheidend dafür ist eine hohe Transparenz über alle relevanten Fakten und Indikatoren. Dabei spielt die Digitalisierung eine entscheidende Rolle. Die „Fluktuation“ der Kapazitäten im Netzwerk hat aber auch gewisse Grenzen. Wenn ein Unternehmen bspw. ein neues Werk in Osteuropa hat und von erheblichen Lohnkostenvorteilen profitiert, wird es die Produktion nicht automatisch in Richtung prinzipiell verfügbarer Kapazitäten an einem Hochlohnstandort verschieben. Entscheidend ist ein sehr detaillierter Blick auf die tatsächlichen laufenden Ausgaben, z.B. für Fertigungsprodukt- und Entwicklungskosten, aber auch für die Koordination, die Supply Chain, den Transport, Abgaben und Gebühren sowie potenzielle Risikokosten.
DIALOG: Welche Rolle spielt bei der CapEx-Betrachtung das Produktdesign?
TT: Hier gilt die Devise „Design for Smart Manufacturing“, damit später eine kostengünstige Herstellung möglich wird. Ein zweiter wichtiger Punkt ist „Design to Line“. Das bedeutet, neue Produkte so zu konstruieren, dass sie auf bereits existierenden Anlagen gefertigt werden können. Das ist nicht immer der Fall. Häufig werden mit jeder Produktgeneration auch komplett neue Anlagen beschafft und bisherige Anlagen fristen ein Schattendasein für wenige Ersatzteile. Schuld daran ist die geringe Vernetzung zwischen Produktion, Engineering und R&D.
DIALOG: Kann man bei der Reduktion und Begrenzung der CapEx auch zu weit gehen?
TT: Eine gewisse Überkapazität ist wichtig, um flexibel und agil zu bleiben. Denn Inflexibilität kann geschäftsschädigend werden. Ist ein Nachfrageabschwung z.B. temporärer Natur, muss man die Lieferfähigkeit aufrechterhalten. Sonst verliert man Marktanteile, wenn der Motor wieder anspringt. Ein anderer Faktor ist die Vermeidung von Single Sourcing und eine bewusste Risikostreuung. Die Bedeutung dieser Strategie ist uns in den vergangenen Jahren während der Pandemie und weiterer globaler Krisen sehr deutlich vor Augen geführt worden.
Interview-Partner
Dr. Thomas Troll, Senior Vice President, ROI-EFESO
Mehr als 150 internationale Standorte von Industrieunternehmen gestalteten bislang mit Thomas Troll ihren Transformationskurs in Richtung Exzellenz und Nachhaltigkeit. Insbesondere bei der Neugestaltung globaler Wertschöpfungsnetzwerke sowie bei der Digitalisierung entwickelt er mit seinen Kunden ergebnisorientierte Lösungen.