Qualität beginnt bei Forschung & Entwicklung
DIALOG: Herr Dr. Weber, Qualität ist das Erste, was einem bei ‚Made in Germany‘ einfällt. Dennoch sind in den vergangenen Jahren viele Traditionsunternehmen gescheitert, deren Namen seit Jahrzehnten ein Sinnbild für Qualität waren. Hat Qualität als Differenzierungsmerkmal ausgedient?
MW: Nein, und das wird auch niemals der Fall sein. Qualität steht für Nachhaltigkeit und wenn man diese für die Kunden überzeugend bietet, ist man damit immer erfolgreich. Allerdings hat sich die Sicht auf den Begriff Qualität verändert. Früher hieß Qualität: So lange am Produkt tüfteln, bis nichts mehr geht. Das schloss nahezu unbegrenzte Ressourcen ein, also sehr viel Zeit und Manpower. Man muss hoch anerkennen, dass sich dadurch die Unternehmen das Qualitätsimage ‚Made in Germany‘ aufgebaut haben. Doch alleine damit ist man heutzutage nicht mehr konkurrenzfähig und wenn ein Unternehmen das nicht sieht und nicht korrigiert, dann kann es große Probleme bekommen. Bei einem Produkt bedeutet für mich Qualität, genau so viel davon zu gewährleisten, dass es die Anforderungen der Kunden erfüllt und der langfristigen Qualitätsstrategie des Unternehmens entspricht. Klar ist, dass es im Wettbewerb immer verschiedene Qualitäten geben wird, die zu unterschiedlichen Einkaufspreisen konkurrieren. Wenn der Kunde nur den Einkaufspreis betrachtet, tut man sich mit einem qualitativ hochwertigen Produkt immer schwerer, wobei Qualität nicht zwingend hochpreisig bedeuten muss. Es geht also darum, dem Kunden die Bedeutung der Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich transparent zu machen. Man muss dafür kämpfen, dass auf der Kundenseite nicht nur der Einkaufspreis, sondern der vollständige Business Case betrachtet wird.
„Man muss Kunden die Bedeutung der Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich transparent machen.“
DIALOG: Schnelle Innovationszyklen führen heute dazu, dass keine ausreichende Zeit für Produkt- und Prozessoptimierung zur Verfügung steht – was man u.a. an der seit Jahren steigenden Zahl der Produktrückrufe sieht. Stehen Qualität und Innovation in einem konfliktären Verhältnis?
MW: Keinesfalls, Qualität und Innovation gehen Hand in Hand. Gerade in einem vollständig aufgesetzten Innovationsprozess bestehen die größten Freiheitsgrade, Qualität in den Vordergrund zu stellen und schon in der Ideenphase in das Produktdesign einzubringen. Ich halte es für entscheidend, bei den Anforderungen und in der frühen Entwicklungsphase die richtigen Schritte zu tun. Das Produkt muss weiter gedacht werden, als der Kundenauftrag es erfordert. So lassen sich optimale Plattformen entwickeln, die durch geschickte Anpassungen ein breites, aber auch innovatives Produktspektrum abbilden können. Die Automobilindustrie hat hier eine klare Vorreiterrolle, da kann man sehr viel lernen und adaptieren. Das auf das eigene Unternehmen zuzuschneiden, darin besteht die Kunst. Ferner hat die Entwicklung die Aufgabe, ein Produkt nicht nur bezüglich Haltbarkeit und Funktionalität optimal zu gestalten, sondern insbesondere hinsichtlich einer reproduzierbaren Fertigungsqualität. Im Rahmen eines vollständigen Produktentstehungsprozesses müssen wir lernen, auf das ein oder andere Feature zu verzichten, wenn es dem Gesamtoptimum dient. Hier kommt in der Regel die Produktion zu kurz und dieser Fakt gehört in meinen Augen zu den höchsten Risiken für mittelständische Unternehmen.
DIALOG: KATHREIN ist in mehr als hundert Ländern rund um den Globus aktiv. Haben Ihre Kunden in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Qualitätsanforderungen? Wie unterscheidet sich die Bereitschaft, für Qualität zu zahlen?
MW: Es ist schlicht so, dass die Kunden unterschiedliche Budgets zur Verfügung haben und insofern manchmal gezwungen sind, Kompromisse beim Thema Qualität einzugehen. Es gibt aber genug Beispiele, dass sich nach einer gewissen Zeit Qualität auch in einem schwierigen, weil preislich umkämpften Marktumfeld durchsetzt. Das Durchhalten in diesem Markt bzw. das Hinarbeiten auf den ‚Qualitätsmarkt‘ ist dabei die Schwierigkeit. Das bedeutet aber keinesfalls, sich auf dem Produktdesign auszuruhen, sondern das Produkt auf den Prüfstein zu stellen, ohne Abstriche bei der Qualität zu machen. Ich betone nochmals: Schreibt sich ein Unternehmen hohe Qualität auf die Fahnen, muss es den Kunden davon überzeugen, dass sich der höhere Anschaffungspreis eines Produkts auf lange Sicht bezahlt macht durch längere Lebensdauer und geringe Fehleranfälligkeit. Es muss sich gesamtwirtschaftlich für den Kunden rechnen. Hat er auf lange Sicht keinen Preisvorteil, dann bin ich mit der Qualität übers Ziel hinaus geschossen. Ein Beispiel: Ich biete ein Produkt mit 30 Jahren Haltbarkeit an. Weltweit wird jedoch kein solches Produkt länger als 15 Jahre eingesetzt. Technologisch habe ich mir ein Denkmal gebaut, aber das bezahlt mir niemand. Insofern muss der Kunde beim Anforderungsmanagement ganz oben stehen und nicht nur der Ingenieur.
DIALOG: Ihre Wettbewerber aus Fernost, etwa Huawei, können sich inzwischen gut auf den globalen Märkten behaupten – bei Qualität und Innovation haben sie in den vergangenen Jahren viel Boden gut gemacht. Was tun Sie, um angesichts dieses Trends die Marktposition von KATHREIN zu behaupten?
MW: KATHREIN hat einen entscheidenden Vorteil: Es ist ein Unternehmen mit überschaubarer Größe. Wir können Dinge schneller entscheiden und umsetzen als große Konzerne. Ich selbst kenne beide Größenordnungen und kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass ab einer gewissen Unternehmensgröße die internen Strukturen und die interne Kooperation an Effizienz verlieren, ein gesundes Wachstum im Mittelstand ist daher anzustreben. Die Konzerne haben zwar nahezu unbegrenzte Ressourcen, sind aber nicht so wendig und anpassungsfähig wie wir. KATHREIN ist dadurch mit Features zuerst am Markt, und zwar in der gewohnten Qualität. Denn auch bei einer hohen Innovationsgeschwindigkeit stellen wir niemals unseren Qualitätsanspruch in Frage. Aber wir müssen Qualität danach definieren, was wir tatsächlich brauchen und nicht danach, was technisch alles möglich ist. Mittels unseres Innovationsmanagements überlegen wir uns genau, bei welchen Technologien KATHREIN in Zukunft punkten wird, wo wir in fünf, zehn oder 15 Jahren stehen werden. Damit lenken wir unsere Kreativität in geordnete, zielgerichtete Bahnen. Es mag sich widersprüchlich anhören, aber Innovation ist genauso zu regeln wie Produktentstehung. Wir stellen uns damit der Herausforderung, stets als Erster mit neuen Lösungen am Markt zu sein.
„Beim Anforderungsmanagement muss der Kunde ganz oben stehen und nicht nur der Ingenieur.“
KATHREIN ist ein international führender Spezialist für zuverlässige, hochwertige Kommunikationstechnik. Das Unternehmen mit Sitz in Rosenheim deckt ein breites Spektrum ab: von Mobilfunk, Signalverarbeitung und optimaler Datenübertragung in Gebäuden über Glasfaser- und Kabelnetze und Satelliten- Empfangstechnik bis zu Radio- und Fernsehübertragung sowie Datenempfang in Automobilen.
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