Die Farbwahl bestimmt die Logistik
DIALOG: Herr Boog, ihr unternehmen gilt als Premium-Anbieter in den bereichen bauten-, Holz- und bodenschutz und stellt jährlich mehr als 80.000 auftragsbezogene Farbmischungen her, die weltweit in Mengen von einem liter bis zu 2,5 tonnen ausgeliefert werden. Was bedeutet für sie komplexitätsmanagement?
KB: Bei Remmers sind es die täglichen Prozesse, die ein sehr hohes Maß an Komplexität erzeugen. Um effiziente Leistungen erbringen zu können, brauchen wir in allen Bereichen der Wertschöpfungskette Komponenten auf dem neuesten Stand der Technik. Dies haben wir bei Remmers bereits 2008 deutlich erkannt. Steigende Kundenanforderungen und unser Unternehmenswachstum erforderten eine generelle Modernisierung. Werkstrukturen mussten neu konzipiert werden. Die Herausforderung: Ein neues, integriertes Logistikkonzept für die Optimierung sämtlicher Prozesse, ausgerichtet auf künftiges Mengenwachstum. Die Basis hierzu lieferte ein Werkstrukturkonzept, das die Unternehmensberatung ROI nach Lean-Prinzipien erstellte. Heute können wir in sämtlichen Bereichen auf modernste Lösungen verweisen: Die verbesserte Lagerstruktur umfasst ein neues Logistikzentrum, sowie drei strategisch verteilte Regionalläger. Unterstützt wird das Logistikkonzept durch ein zentrales Warenmanagementsystem, das Bestandstransparenz schafft, eine europaweite Chargenverfolgung und eine Just-in-time Sondertonfertigung ermöglicht. Ein modulares Verpackungssystem sowie die enge Zusammenarbeit mit ausgewählten Transportdienstleistern runden das Konzept ab.
DIALOG: In welchem Verhältnis stehen komplexität und operative exzellenz in ihrem unternehmen?
KB: Speziell bei Remmers ist eine starke Komplexität aufgrund der enormen Vielfalt einwirkender Faktoren auf die Wertschöpfungskette gegeben. Besonders in den letzten Jahren waren wir, neben üblichen technischen Innovationen, zunehmend von der Verknappung auf den globalen Rohstoffmärkten betroffen. Für uns als produzierendes Zulieferunternehmen der Baubranche basiert unser Erfolg auf den eigenen Produkten, Dienstleistungen und Systemlösungen, die Profis am Bau weiterbringen und die hohen Erwartungen der Kunden an Qualität, Service und Sicherheit in der Anwendung erfüllen oder übertreffen. Heutzutage ist es nahezu unumgänglich, kontinuierlich die eigene operative Qualität zu steigern, um diesen Standard weiter zu entwickeln. Das Problem hierbei ist die weiter wachsende Komplexität. Sie führt dazu, dass operative Qualität zukünftig immer schwerer zu realisieren ist. Wir konnten insbesondere durch gezielte logistische und organisatorische Maßnahmen, die operative Qualität steigern und die Komplexität einschränken.
„Die moderne Werkstruktur ermöglicht uns heute eine wertschöpfungskettenübergreifende Steuerung von Komplexität in verschiedensten Bereichen.“
DIALOG: ihr logistikkonzept, das dieses Jahr mit dem european Award for logistics excellence der elA ausgezeichnet wurde, sieht vor, dass jede bestellung innerhalb Deutschlands in 24 stunden ausgeliefert wird. Produktions-, it- und logistiksysteme müssen dabei nahtlos ineinander greifen. Was sind hier die wichtigsten Herausforderungen?
KB: Stellen Sie sich einmal den Extremfall vor: Um 14:59 Uhr geht eine Bestellung für eine einzige Dose Farbe in einem Sonderton ein. Beigefügt ein Holzmuster mit den Hinweisen: anbei Farbmuster, Lieferung auf die Baustelle irgendwo in Deutschland. Wir nennen das ‚kundenbezogener Sondertonauftrag‘. Natürlich ist es für uns eine große Herausforderung bei einem derartigen Auftrag unsere Lieferzusage ‚Gestern bestellt, heute geliefert‘ einzuhalten.
Wir bewältigen solche Bestellungen minutenschnell und just-in-time dank einer der modernsten IN-Can- Sondertonanlagen. Produkte können so noch am gleichen Tag gefertigt, qualitätsgeprüft und verladen werden.
DIALOG: Gerade im industriellen Mittelstand waren hohe Produktqualität und innovation über Jahre die wichtigsten Faktoren im globalen Wettbewerb. Glauben sie, dass das auch künftig ausreichen wird?
KB: Hohe Produktqualität und Innovation haben nach wie vor eine zentrale Bedeutung für den Markterfolg. Aber wer das nicht auch mit umfassenden Serviceleistungen absichert, kann trotz guter Produkte ins Abseits geraten. Der Erfolg der Unternehmensgruppe Remmers wurde nicht nur mit innovativen Produkten, sondern auch mit kundenindividuellem Service erzielt. 200 Fachvertreter und rund 40 Anwendungstechniker allein in Deutschland bilden branchenweit das dichteste Netz für kompetente Beratung vor Ort. Weitere wertvolle Serviceleistungen erbringt die Bernhard- Remmers-Akademie für berufliche Weiterbildung aller Beteiligten am Bau sowie die Remmers Fachplanungsgesellschaft. Neben der anwendungstechnischen Abteilung ist sie zuständig für die Erarbeitung objektspezifischer Leistungsverzeichnisse.
Diese Serviceleistungen werden ergänzt durch unser integriertes Logistikkonzept mit dem Versprechen ‚Ob 1 Liter oder 2,5 Tonnen – heute bestellt, morgen beim Kunden‘. Ein echtes Alleinstellungsmerkmal.
DIALOG: Welche rolle wird die operative exzellenz im Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit und Marge in der Zukunft spielen?
KB: Durch die Implementierung des ‚<24 Stunden Logistikonzepts‘ wurden alle Prozessbeteiligten stärker sensibilisiert für potenzielle Schwachstellen innerhalb der Prozesskette. Das Ziel: Schnelle Identifikation und Eliminierung. Nur so lassen sich unsere operative Exzellenz und Margen auch nachhaltig steigern, ohne auf der anderen Seite die Kosten zu erhöhen. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang unser qualifizierter Mitarbeiterstamm. Bezogen auf Remmers lässt sich meines Erachtens die operative Exzellenz am besten so zusammenfassen: Die Optimierung der Prozesse von der Rohstoffbeschaffung über das Lagerwesen und die Produktion bis hin zur Distribution bilden die Voraussetzung für unser fortschrittliches und zukunftsfähiges Logistikkonzept.
DIALOG: Herr boog, die Prozesse in der supply chain von remmers sind bereits hochgradig optimiert. Gibt es überhaupt noch entwicklungsziele, die sie sich für die nächsten Jahre gesteckt haben?
KB: Selbstverständlich gibt es noch Entwicklungsziele. Dies bedingt allerdings, dass wir stets personell, fachlich und technisch auf dem aktuellen Niveau sind, um auch zukünftig auf Veränderungen flexibel und zeitlich angemessen reagieren zu können. Für die Zukunft wollen wir unseren nahezu optimalen Servicegrad, den Remmers in Deutschland bereits erreicht hat, auch auf angrenzende Nachbarländer ausweiten. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn die Voraussetzungen in den jeweiligen Ländern sind sehr unterschiedlich.
„Das Ziel: Schnelle Identifikation und Eliminierung von Schwachstellen. Nur so lässt sich operative Exzellenz nachhaltig steigern.“