Potenzial zur kreativen Verwandlung
Mehr als Gimmicks: Einsatz von 3D-Druck-Komponenten in der Industrie
Gäste der niederländischen Fluggesellschaft KLM genießen einen ganz besonderen Service: Über den Wolken serviert das Bordpersonal ein kühles Helles aus einem Bier-Trolley, der mit einem 3D-Drucker hergestellt wird. Das „BrewLock Fass“ bleibt aufgrund seiner hohen Herstellungskosten allerdings vorerst als „3D-Druck-Gimmick“ den Passagieren der Businessclass vorbehalten – ob sich die Serienfertigung rentiert, bleibt abzuwarten.
Tatsächlich bringt dieses Anwendungsbeispiel die derzeitige Wahrnehmung des Themas „Additive Manufacturing“ gut auf den Punkt: Während in der Öffentlichkeit oftmals exotische Druckerzeugnisse wie Mini-Porträtstatuen oder nun auch Bierfässer als teure Einzelanfertigungen ohne Industrialisierungspotenzial wahrgenommen werden, ist die Industrie schon deutlich weiter. In zwei A350 XWB Passagierflugzeugen, die Airbus Ende 2014 an Qatar Airways auslieferte, befinden sich zum Beispiel im Innenraum jeweils 1.000 Teile aus Thermoplast, die per 3D-Drucker hergestellt wurden. Neben einer Flexibilisierung der Versorgungskette soll dies vor allem die Produktionszeiten und Kosten spürbar reduzieren.
Diese und weitere Vorteile sind natürlich nicht nur für Aerospace-Unternehmen attraktiv. Auch die Halbleiterbranche, die Automobilindustrie und die Medizintechnik zählen bereits heute zu den Wachstumsmärkten für 3D-Druck-Verfahren. „3D-Druck hat das Potenzial zur kreativen Verwandlung traditioneller Engineering- und Fertigungsprozesse – auch in Schlüsselindustrien, die das Thema bislang als exotisch oder limitiert ansehen“, sagt Anselm Magel, Experte für 3D-Druck bei der ROI Management Consulting AG. „Es gibt viele Einsatzszenarien entlang der Wertschöpfungskette, die sich für den Einstieg eignen. Profitabel kann das vor allem in zwei Handlungsfeldern sein: bei der Designoptimierung und dem Leichtbaudesign von Komponenten sowie bei der Verkürzung von Wegen in der Supply Chain.“
Entscheidend ist es, sich bei den Komponenten auf funktionale Vorteile und Kostentreiber zu fokussieren: Welche überlegenen Funktionalitäten lassen sich konstruieren? Welche Teile sind besonders komplex und daher teuer in der Herstellung oder Wartung? Wo gibt es hohe Fixkosten, wie etwa bei Werkzeugen? Welche Komponenten werden in geringen Stückzahlen gefertigt? Wie lassen sich individuelle Kundenanforderungen erfüllen? Bei all diesen Punkten kann eine Umstellung auf Additive Manufacturing signifikante Chancen eröffnen - die man erkennt, wenn man offen für Veränderungen und experimentierfreudig ist.
Gleichzeitig verkürzt Additive Manufacturing die Lieferkette: Kritische Teile für den Fertigungsprozess lassen sich eventuell selbst produzieren, anstatt diese von einer singulären Lieferquelle zu beziehen. Lange Lieferzeiten von Ersatzteilen, die hohe Stillstandskosten verursachen, können mit einer Just-in-time-Fertigung der Teile aus dem 3D-Drucker vor Ort zudem ebenfalls der Vergangenheit angehören.
„Die aktuellen Entwicklungen, welche zu wiederholbaren Fertigungsprozessen, zur Reproduzierbarkeit auf anderen Maschinen und zu qualitativ hochwertigen Ergebnissen führen werden, sorgen für weiteres Wachstum am Markt“, betont Magel. Mit General Electric (GE) hat auch ein Weltkonzern signalisiert, dass die Technologie Zukunft hat. Noch innerhalb der kommenden vier Jahre will das Unternehmen mit Produkten aus 3D-Druck-Verfahren eine Milliarde US-Dollar pro Jahr umsetzen. Zusätzlich soll die Technologie die Materialkosten im Konzern bis 2026 bis zu fünf Milliarden US-Dollar reduzieren – was für die Bilanz tatsächlich alles andere als ein „Gimmick“ wäre.