MIT MAGIE UND LOGIK ZUM PACKAGING 4.0

Intelligente Maschinen, integrierte Prozesse, intuitive Bedienung – mit diesen Prämissen realisiert Windmöller & Hölscher bereits seit einigen Jahren zahlreiche Digitalisierungsprojekte. Als Spezialist für Maschinen im Wachstumsmarkt der flexiblen Verpackung sind uns Innovationen wichtig, mit unseren Produkten setzen wir immer wieder neue technologische Standards.

Für Ideen steht auch reichlich Spielraum zur Verfügung: Unsere Tiefdruckmaschinen füllen leicht Hallen aus; Gießfolienanlagen können die Größe eines mehrstöckigen Einfamilienhauses erreichen und bestehen aus mindestens 100.000 Einzelteilen. Aufgrund dieser Komplexität und Dimensionen verlassen keine zwei identischen Maschinen die Montage, zumal unsere Kunden auch in unterschiedlichen Branchen tätig sind und individuell gefertigte Anlagen benötigen.

Trotz geringer Fertigungstiefe und kleiner Stückzahlen sahen wir hier ein Digitalisierungspotenzial. Denn um den individuellen Kundenbedarf schon bei der Konfiguration der Maschine oder Anlage möglichst exakt zu treffen, enthält jeder Configure-to-Order-Prozess einen zusätzlichen Engineering-to-Order-Anteil. Um u.a. diese Abläufe zu verbessern, führen wir derzeit in einem neuen Digitalisierungsprojekt ein Product Lifecycle Management (PLM) ein. Im Fokus steht, die Brüche zwischen den vorhandenen einzelnen Systemlösungen wie dem ERP-System, CAD-Systemen und technischen Redaktionssystemen aufzulösen, den Informationsfluss zwischen Konstruktion, Beschaffung und Montage deutlich zu verbessern und die Datenkonsistenz zu erhöhen. Vor allem eine zentrale „smarte“ Stückliste soll dies möglich machen.

 

Vom Master- zum Multi-BOM-Management


Bislang wird im Unternehmen eine einzige Stückliste verwendet. Diese Master-BOM (Bill of Materials) befriedigt in erster Linie die Bedürfnisse von Beschaffung und Montage. Eine Integration der Liste in die technischen Systeme erfolgte nur teilweise – bei Produkten mit Zehn- oder Hunderttausenden Materialpositionen und dynamischen Änderungen während des Lebenszyklus war das bis dato auch kaum anders zu handhaben. Allein der zeitliche Aufwand für die Pflege der Master-BOM war sehr hoch, da dies die ständige Abstimmung zwischen Entwicklung, Beschaffung und Montage erforderte.

 

Fachdisziplinen verbinden

Das Ziel des PLM-Projekt lautete daher, mit dem Einsatz von Digitalisierungs-Tools ein Multi-BOM-Management zu etablieren, bei dem jeder Bereich seine eigene Stückliste führt. Diese Listen werden miteinander mit der Logik und „Magie“ von Software-Algorithmen synchronisiert. Das Besondere: Wir verbinden die sehr heterogenen Strukturen und Visualisierungen der Arbeitsumgebungen. Ein Maschinenkonstrukteur arbeitet z.B. im CAD mit einer eigenen räumlichen Struktur und Stückliste, um die Anlagenteile neu zu kombinieten und Bauräume zu verbessern. Ein Elektrokonstrukteur wiederum führt eine Stückliste, in der die logische Verknüpfung zwischen Motor, Umrichter und Sensor gruppiert ist. Die Montage wiederum orientiert sich z.B. an Vormontageabläufen, woraus eine weitere eigene Struktur – und Stückliste – hervorgeht. Letztlich müssen alle diese Listen natürlich immer dasselbe Produkt abbilden.

 

Schneller Informationsaustausch

Hier liegt der Wunsch nach einem „roten Faden“ nahe, der all diese Perspektiven verbindet. Nur – an welchem Ausgangspunkt zieht man den am besten ein? Mit einer Stückliste in der Konstruktion, die dann an die nächste Station bzw. Abteilung übergeben, dort umgebaut, weiter- und zurückgegeben wird? Ein solches unidirektionales Denken und Vorgehen ist klassisch. Es führt in diesem Fall aber nicht zu einem klaren, sondern am Ende sehr abstrakten chaotischen „Webmuster“. Beim Versionieren von kundenindividuellen Plänen ist das nicht hilfreich, z.B. wenn diese im vorherigen System kopiert und unter einer neuen Baugruppennummer abgespeichert wurden. Das hatte zur Folge, dass die Pläne in der Montage angepasst wurden und die Beschaffung diese Änderungen prüfen musste.

Unsere Idee ist, einen mehrdirektionalen Weg zu verfolgen, d.h., Mechanik und Elektronik arbeiten parallel und synchronisieren sich immer mit einem gemeinsamen Stücklistenmodell. Montage und Service sind ebenfalls mit dieser zentralen Stückliste verbunden und tauschen sich über diese auch aus. Entscheidet sich nun z.B. ein Elektrokonstrukteur für einen anderen Motor, erfährt dass sein Kollege in der Mechanik direkt, kann Rückfragen stellen oder seine Planung direkt modifizieren.

 

Automatisierter Datenabgleich


Diese multidirektionale Synchronisation bauen wir mit dem PLM-System komplett neu auf. Somit soll z.B. das Team in der Montage sehr umfassend auf die Informationen aus den Autorensystemen der Entwicklung zugreifen können und ein gleichzeitiges Arbeiten in den Entwicklungsdisziplinen möglich sein. Das zentrale Element ist eine funktionsorientierte Strukturstückliste (Engineering Bill of Materials, eBOM), mit der sich jede andere Stückliste synchronisiert.

Um die Komplexität für den Anwender auf ein Minimum zu reduzieren, ermöglicht ein „smarter“ Algorithmus, dass der Anwender nur in „seiner“ eigenen Stückliste arbeitet. Dies eröffnet weitere Verbesserungsoptionen: So kann die Montage nun direkt und ohne manuelle Datenaufbereitung auf Daten aus der mechanischen Konstruktion, der modellbasierten Definition sowie aus der Elektrokonstruktion (z.B. elektrische Bauteilkennzeichen) zugreifen. Die Montage wiederum kann eine montageoptimierte Stückliste nutzen, um digitale Arbeitsanweisungen zu verwalten.

Der Roll-out der Lösung ist bereits gestartet, in Test- und Schulungsphasen trainieren wir über 600 Anwender für die Bedienung des Systems. Eine positive Erfahrung ist hier bereits, dass die Mitarbeiter, die sich hauptsächlich im dreidimensionalen, vorstellbaren Raum bewegen, auch ein gutes Verständnis für Zusammenhänge zwischen den Daten der Fachdisziplinen gewinnen.

Einsatzfeld: Maschinen- und Anlagenbau

Herausforderung

sehr hoher Aufwand für die Pflege einer Master-BOM (Bill of Materials); ständiger Abgleich zwischen Konstruktion, Einkauf und Montage notwendig

Lösung

Synchronisation mehrerer Stücklistensichten, die ein gleichzeitiges Arbeiten in den Entwicklungsdisziplinen ermöglichen; funktionsorientierte Strukturstückliste (Engineering Bill of Materials, eBOM) als zentrales Element