Kapitel 2
Speyside, Schottland
Auf einen Drink in Cardhu
Nicht nur die Smart Products auf einem modernen Flughafen haben uns nach Schottland geführt. Nach knapp vier Stunden Fahrt durch die wunderbar karge Hügellandschaft der Highlands sind wir in Speyside, dem Herzen der schottischen Whisky-Industrie. Unser Ziel ist die Destillerie Cardhu, die nicht nur für ihre weichen, aromatischen Single Malts bekannt ist, sondern auch dafür, wichtige Zutaten für die besten Blends von Johnnie Walker zu liefern.
Der wichtigste Whisky-Produzent Schottlands ist gerade dabei, zu einem Vorzeigebeispiel für ein smartes Produkt zu werden. Vor knapp zwei Jahren präsentierte Johnnie Walker auf dem Mobile World Congress in Barcelona seine beliebte Blue Label-Sorte in einer smarten Flasche. Diese verfügt über eine aufgedruckte Sensorik mit Antenne und integriertem Schaltkreis sowie eine Identifikationsnummer, die sie eindeutig zuordenbar macht und gleichzeitig als Kopier-, bzw. Piraterieschutz fungiert. Das Modul erkennt, ob die Flasche offen oder noch versiegelt ist und kann über den Kommunikationsstandard NFC (Near Field Communication) mit dem Smartphone des „Users“ personalisierte Tags austauschen.
Warum führte Diageo, der Spirituosenkonzern, zu dem sowohl Johnnie Walker als auch eine Menge anderer bekannter Marken wie Smirnoff oder Guinness gehören, diese Innovation ein? Unter anderem, um die Customer Experience zu verbessern. Ein Großteil der Kunden sucht nach der passenden Whisky-Sorte digital, häufig auf dem Smartphone und unmittelbar vor dem Regal mit den Flaschen stehend – und um diesen Prozess zu verbessern, ist ein Produkt, das für den Kunden sowohl physisch als auch digital erreichbar ist, ein wichtiges Element.
Die smarte Flasche folgt jedoch einem sehr viel weiter gedachten Szenario. In der Regel endet die Kommunikation zwischen dem Hersteller und dem Kunden mit dem Kauf, sie reißt an der Kasse ab. Genau diesen Bruch will Johnnie Walker überbrücken. Ist die Flasche erst geöffnet (was ja durch die Sensorik angezeigt wird), muss der Kunde nicht mehr zum Kauf überredet werden, der Vertriebsprozess ist vorbei. Vielmehr geht es nun darum, das Trinken des Whiskys zu einem perfekten Erlebnis zu machen. Das hängt bekanntermaßen von vielen Faktoren ab: der Beschaffenheit und der Temperatur des Glases, der Temperatur des Whiskys, dem Mischungsverhältnis mit Sodawasser, der Menge der Eiswürfel und vielem mehr. Hier kann der smarte Whisky eingreifen.
Die Intelligenz auf der Flasche wird damit zu einer Plattform faszinierender Optionen – je nach vorhandenen Sensoren und ihrer Integration mit entsprechenden Apps lassen sich vom individuellen Alkoholtest, über die Bereitstellung von Cocktailrezepten bis hin zum Verkauf von Whisky-Gläsern eine fast unendliche Vielzahl von Szenarien entwickeln. Besonders dann, wenn der intelligente Blue Label zum Element in einem Smart Network wird, in dem er mit anderen intelligenten Objekten interagiert und gemeinsame Datenstrukturen bildet. Dann können Whisky, Wasser, Glas und Eisfach gemeinsam für einen perfekten Genuss sorgen. Der Tag auf der Flasche ist also nur der Anfang.
Darauf trinken wir dennoch keinen Johnnie Walker, sondern einen Cardhu Special Cask Reserve und machen uns wieder auf den Weg. Die Idee mit dem individuellen Alkoholtest sollte wirklich bald in Angriff genommen werden...