Auf die eigenen Stärken besinnen
Handlungstipps für deutsche Unternehmen zum Umgang mit der Trump-Administration
DIALOG: Herr Dr. Wolf, der US-Präsident hatte das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber mehreren Ländern mehrfach scharf kritisiert. Betroffen sind dabei ganz unterschiedliche Wirtschaftsräume – zum Beispiel China und die EU. Die Gründe für diese Defizite müssen doch sehr unterschiedlich sein?
Dr. ANDRÉ WOLF: Die Ursachen der Defizite der USA gegenüber ihren wichtigsten Handelspartnern sind in der Tat vielschichtiger Natur. In Bezug auf China dominierte lange Zeit die Lohnkostenschere als Einflussfaktor. Die teilweise oder vollständige Verlagerung der Produktion nach China war für viele amerikanische Unternehmen ein Rettungsanker, um die eigene preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Für China ergab sich daraus die große Chance, zu einem unverzichtbaren Teil der globalen Wertschöpfungsketten zu werden. Im Ergebnis entstand eine interessante Symbiose: Die chinesischen Handelsüberschüsse wurden in den USA als sicherer Hafen reinvestiert, das US-Defizit floss so als Kapital wieder ins Land. Die künstliche Abwertung des chinesischen Renminbi hat mit dazu beigetragen, dieses System im Zeitverlauf immer stärker zu manifestieren. Beiden Ländern wird es deshalb auf absehbare Zeit kaum möglich sein, sich ihrer wechselseitigen Abhängigkeit zu entledigen. In Bezug auf die EU und speziell Deutschland liegt der Fall anders. Das Handelsdefizit aus Sicht der USA ist hier weniger auf eine Verschränkung der Wertschöpfungsketten zurückzuführen. Primär ist es der höhere Grad an qualitativer Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie in besonders wertschöpfungs- und handelsintensiven Feldern wie dem Maschinen- und Automobilbau, der das Ungleichgewicht begründet.
„Nüchtern, betrachtet steht es um den globalen Freihandel auch unabhängig vom Wirken der neuen US-Administration nicht zum Besten.“
Dr. André Wolf
DIALOG: Die amerikanische Regierung zeigt eine große Skepsis gegenüber dem Freihandel. Das zu kritisieren ist leicht. Aber wie frei ist der Freihandel eigentlich wirklich? Und vor allem: wie fair?
AW: Nüchtern betrachtet, steht es um den globalen Freihandel auch unabhängig vom Wirken der neuen US-Administration nicht zum Besten. Die gegenwärtige Delle im Wachstum des Welthandels lässt sich zu einem guten Teil auf eine allgemeine Hinwendung zu protektionistischen Tendenzen zurückführen. Allein die USA haben nach Schätzungen des Global Trade Alert zwischen 2008 und 2016, also während der Amts- zeit Barack Obamas, über 600 neue handelsdiskriminierende Maßnahmen eingeführt. Anders als in früheren Zeiten handelt es sich bei solchen Maß- nahmen größtenteils nicht mehr um Zollschranken, sondern um indirekte Diskriminierung in Form spezifischer Produktstandards oder kostentreibender Zulassungsverfahren. Andere Länder wie China setzen auf makroökonomische Instrumente wie Devisenmarktsteuerung, um ihre Wettbewerbsfähigkeit künstlich zu steigern. All diese intransparenten Maßnahmen beeinträchtigen letztlich nicht nur die Freiheit, sondern auch die Fairness des Welthandels, denn sie verschlechtern die internationale Wettbewerbsposition bestimmter Unternehmen und Produkte in mehr oder weniger willkürlicher Form.
DIALOG: Die BMW AG beschäftigt 8.000 Mitarbeiter in ihrem Werk in Spartanburg/South Carolina. Auch andere Konzerne aus Deutschland haben große Produktionsstandorte in den USA. Damit sehen sie den Drohungen Donald Trumps eher gelassen entgegen. Die meisten mittelständischen Unternehmen, für die die USA ein enorm wichtiges Exportland sind, haben solche Trümpfe nicht auf der Hand. Was können sie tun, um sich vor eventuellen Sanktionen zu schützen?
AW: Sollte sich diese Gefahr konkretisieren, gibt es für international orientierte deutsche Mittelständler mehrere Handlungsoptionen. Eine besteht in einer Diversifizierung der Absatzmärkte. Insbesondere der ostasiatische Raum mit seinem robusten Wirtschaftswachstum und der sich herausbildenden Mittelschicht, längerfristig aber durchaus auch Afrika bieten für den deutschen Mittelstand ein interessantes Absatzpotenzial. Und Länder wie China haben ja bereits signalisiert, im Falle einer zunehmenden Abschottung der USA nur allzu gern als Absatzpartner in die Bresche zu springen. Eine weitere Option, die eher auf eine Festigung der eigenen Position im US-Markt setzt, ist das Eingehen von Kooperationen mit lokalen amerikanischen Partnern. Indem auf diesem Wege Teile der Wertschöpfung in Produktion und Vertrieb in die USA verlagert werden, lassen sich Zollmauern umgehen. Da bei der Einführung von Strafzöllen mit handelspolitischen Gegenmaßnahmen seitens der EU zu rechnen ist, könnte eine solche Zusammenarbeit auch im Interesse amerikanischer Mittelständler sein, wenn diese sich im Gegenzug über die Kooperation einen Zugang zum EU-Markt sichern.
DIALOG: Noch mehr als der isolationistische Grundton der neuen amerikanischen Regierung irritieren ihre scheinbare Unberechenbarkeit und die häufigen Kehrtwenden. Wie können Industrieunternehmen, die eine gewisse Verlässlichkeit in ihrer Planung brauchen, sich auf diese Situation einstellen?
AW: In dem gegenwärtigen Klima der allgemeinen Unsicherheit ist es zunächst einmal essenziell, einen steten Blick auf die handelspolitische Entwicklung in den USA zu richten. Dabei gilt es, sich nicht gleich durch jedes Statement des US-Präsidenten verunsichern zu lassen, sondern zwischen den Zeilen zu lesen und insbesondere die letztlich entscheidende Rolle des Kongresses im Auge zu behalten. Denn es ist ja längst nicht ausgemacht, ob und wenn ja in welchem Ausmaß Präsident Trump seine handelspolitische Agenda umsetzen kann. Und ansonsten gilt es gerade in der jetzigen Situation, sich auf eigene Stärken zu besinnen. Denn die radikale Kehrtwende der US-Politik eröffnet speziell in Feldern, in denen deutsches Know-how zur Weltspitze zählt, sehr wohl auch Chancen. So verbessert die umwelt- und energiepolitische Rolle rückwärts der USA die Wettbewerbschancen deutscher Unternehmen im Bereich grüner Technologien, einem global so wichtigen Zukunftsmarkt. Hier besteht für die nächsten Jahre die große Chance, sich im Technologierennen einen entscheidenden Vorsprung zu erarbeiten, den die USA langfristig nur schwer wieder aufholen könnten.
„Die radikale Kehrtwende der US-Politik eröffnet speziell in Feldern, in denen deutsches Know-how zur Weltspitze zählt, sehr wohl auch Chancen.“
Dr. André Wolf
Über das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut
Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI gemeinnützige GmbH) ist ein wirtschaftswissenschaftliches, privat finanziertes Forschungsinstitut. Sein Haupttätigkeitsfeld ist die Erstellung wissenschaftlicher Analysen. Zudem beschäftigen sich die Wissenschaftler und Forscher am HWWI mit der Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen und der Beratung auf der Basis von Grundlagenforschung und Modellentwicklung. Neben der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses bedient das Institut internationale Kooperationen und Netzwerke, ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der wissenschaftlichen Kommunikation. Weitere Informationen unter www.hwwi.org