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Gemeinsam zur rentablen Kreislaufwirtschaft

Experte:    Fernando Cruzado   |   25.04.2024   |   Teilen auf in

Nachhaltigkeit im Mobilitätssektor wird häufig mit der Reduktion von CO2-Emmissionen durch E-Fahrzeuge assoziiert. Die Umweltbelastung eines Pkw muss allerdings über dessen gesamten Lebenszyklus hinweg minimiert werden. Eine zentrale Rolle spielt hier die Kreislaufwirtschaft, auf die die europäische Industrie ihre Wertschöpfungsketten neu ausrichtet. Dies erfordert von Unternehmen die Bereitschaft, ihre Operations-Bereiche für den Aufbau branchenübergreifender Kooperationen zu öffnen.

Die Rahmenbedingungen für den Nachhaltigkeitskurs der Industrie sind in der EU vom Gesetzgeber formuliert. Hier ist insbesondere der digitale Produktpass zu nennen: ab 2027 wird dieser voraussichtlich für einen Marktzugang verpflichtend sein, vorerst für den Fahrzeugakku. Zusätzlich zielt die EU-Richtlinie für Altfahrzeuge (ELV, End-of-Life Vehicles Directive) darauf ab, die Rückgewinnung von Materialien aus Fahrzeugen zu fördern und somit deren Umweltauswirkungen am Ende ihres Produktlebenszyklus zu verringern. 

Diese Verpflichtung zur Nachhaltigkeit verändert nicht nur den Automotive-Sektor. Alle Branchen mit einem hohen Rohstoffbedarf, der nicht in der EU gedeckt werden kann bzw. nicht einer umweltschonenden Wertschöpfung entspricht, müssen umdenken. Mit Blick auf die EU-Länder übernimmt hier neben der Automobilindustrie vor allem die chemische Industrie eine wichtige Rolle, um eine nachhaltigere Produktion und effiziente Materialwiederverwertung voranzutreiben. Denn sie stellt die Technologien und Prozesse zur Verfügung, mit denen die Wiederaufbereitung von recycelbarem Material nach den Anforderungen des Automotive-Sektors gelingt – etwa hinsichtlich Gewicht, Temperaturbeständigkeit oder Formbarkeit.

Tatsächlich richten viele Unternehmen ihren Blick bereits von den Herausforderungen auf die Chancen, die Recycling, Kreislaufwirtschaft und weitere Handlungsfelder industrieller Nachhaltigkeit für sie bereithalten. Insbesondere zirkuläre Geschäftsmodelle entwickeln sich zu einem zentralen Wertschöpfungsfaktor: Wenn sie in der Praxis umgesetzt sind, profitieren Unternehmen von geringeren Energie- und Materialkosten und tragen zugleich zur Reduzierung von Abfall und Kohlenstoffemissionen in der Industrie bei. So entwickeln 84 Prozent von führenden Unternehmen der europäischen Chemieindustrie bereits ein zirkuläres Geschäftsmodell oder planen, ein solches in den nächsten zwei bis fünf Jahren einzuführen (1). Dabei zeigt sich, dass kaum ein Weg an Kooperationen vorbeiführt, um dies in der Kürze der Zeit zu realisiern. Im Falle von Partnerschaften zwischen der Automobil- und Chemieindustrie sind dabei diese Handlungsfelder besonders erfolgskritisch:

- Technologische Herausforderungen lösen / Economies of Scale

- Kosten senken und Innovationen fördern / Beispiel Catena-X

Technologische Herausforderungen lösen

Eine kostendeckende Wiederaufbereitung von Fahrzeugkompomenten erfodert die geeigneten Technologien. Ein weitentwickelter, heterogener Markt von Lösungsanbietern der Recycling-/ Kreislaufwirtschaft in Europa verschafft europäischen Unternehmen einen Standortortvorteil gegenüber Wettbewerben in Asien oder den USA, die hier in der Methoden- und Technologieentwicklung noch zurückliegen. Mit den vorhandenen Ingenieurskapazitäten entwickelt sich eine Technologieführerschaft in der Kreislaufwirtschaft in Europa: die bereits vorhanden, hochentwickelten Einzellösungen, etwa zur Schadstoffentnahme und Materialtrennung, müssen dazu allerdings auch die industriellen Bedarfe erfüllen können.

Die Herstellkosten einzelner Güter zu senken, während die gefertigen Stückzahlen steigen, wird somit auch für die industrielle Kreislaufwirtschaft zur zentralen Aufgabenstellung. Dies erfordert den Bau von Anlagen, welche den Skaleneffekten (Economies of Scale), d.h. der Abhängigkeit von Input und Output in der Produktion gerecht werden. Neben den Anlagen sind weitere Produktionsfaktoren wie Kapazitäten und Material so zu gestalten, dass der Wert der gefertigten Produkte den dazu benötigten Input übersteigt, also die Kostenvorteile einer Massenproduktion erzielt. Der Weg dorthin führt über Partnerschaften – etwa, wenn ein Unternehmen über eine einzigartige Recycling-Technologie verfügt, mit Partnern in CapEx (Capital Expenditures) investieren kann und somit gemeinsam geeignete, große Anlagen bauen und wirtschaftlich betreiben kann.

"Als technologische Brücke ermöglicht es Catena-X, die Datenströme und Prozesse der beteiligten Akteure entlang ihrer Wertschöpfungsketten zusammenzuschalten."

Kosten senken und Innovationen fördern

Welches Potenzial in branchenübergreifenden Partnerschaften vorhanden ist, vedeutlicht das Beispiel von „Catena-X“: diese Kollaborationsplattform für die Automobilindustrie involviert im Bereich Kreislaufwirtschaft auch Marktführer der chemischen Industrie (2). Die Plattform befähigt ihre Akteure, entlang ihrer Wertschöpfungsketten Prozesse und Datenströme zusammenzuschalten – dies funktionierte etwa bei der Entwicklung des Produktpasses für E-Fahrzeugbatterien bereits mustergültig. Neben dem Standard an sich wurde definiert, wer welche Informationen zu welchem Zeitpunkt und in welcher Qualität in der Datenkette bereitstellen muss, damit jedes gefertigte Fahrzeug in Zukunft einen Batteriepass erhalten kann. Darüber hinaus verkürzt die standardisierte und modulare Architektur der Plattform Time-to-Market-Zyklen und reduziert Implementierungskosten für Softwarelösungen.

Für die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft, die sich quer über Wertschöpfungsketten bewegt, erweist sich das als ideales Modell. Ein weiterer positiver Effekt dieser Kooperationsform ist das zuweilen hohe Vertrauensverhältnis, dass zwischen den Partnern entsteht – gerade bei hohen gemeinsamen Investionen in neue Anlagen und Maschinen bindet man sich schließlich langfristig aneinander. Das setzt allerdings auch die Bereitschaft voraus, Wissen zu Innovationen und über Kostenstrukturen miteinander zu teilen.

Innovationskraft auf die Straße bringen

Als technologische Infrastruktur vereinfachen Kollaborationsplattformen wie Catena-X die Integration von Kreislaufwirtschaft bzw. industrieller Nachhaltigkeit erheblich. Ein neues, ambitioniertes Geschäftsmodell gemeinsam als Konzept zu entwickeln und in der Realität umzusetzen, adressiert allerdings unterschiedliche Herausforderungen. Dazu sollten Unternehmen die Schnittstellen und „Hebel“ in ihren Operations-Bereichen nutzen, beispielsweise:

- Entwicklungs- und Engineering-Prozesse beschleunigen und ein „Overengineering“ beim Anlagen- / Maschinenbau vermeinden: Was befähigt das Unternehmen, als Pionier im Markt die Kapazitäten zu platzieren?

- Supply Chain-Prozesse durchdeklinieren: Wie gelingt eine langfristige, verlässliche Planung? Besonders dann, wenn mehrere Partner aus der eigenen und / oder aus anderen Branchen beteiligt sind?

- Supply Chain-Ecosysteme effektiv und effizient betreiben: Was ist notwendig, um die Prozesse vom Einkauf und Sampling über die Qualitätssicherung bis hin zum Anlagenbetrieb bestmöglich zu gestalten? Wie lassen sich hier Digitalisierungs- und Wertschöpfungspotenziale zugleich aktivieren?

Es lohnt sich, die Kreislaufwirtschaft als „window of opportuntiy“ für die europäische Industrie zu verstehen. Im Weltmarkt besteht hier noch ein Vorsprung, politische Maßnahmen zu einer stärkeren Regulatorik im Bereich Kreislaufwirtschaft gewinnen allerdings auch schon in den USA, China und Japan an Bedeutung. Die enge Verbindung von Automotive- und Chemie-Knowhow im Kontext von Catena-X und weiteren Kooperationen gibt die Richtung, in die es gehen sollte, beispielhaft vor.

Quellenangaben

(1) EFESO, Ovinto and WBR Insights: Sustainability through collaboration report, 2024

(2) Siehe https://catena-x.net

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Anna Reitinger

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