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Interview

Komplexität frisst Innovation

Experte:    Gernot Schäfer, Partner, ROI-EFESO   |   31.10.2024   |   Teilen auf in

 

Maßnahmen gegen überfrachtete IT/OT-Infrastrukturen in Industrieunternehmen

Interview mit Gernot Schäfer, Partner, und Dr. Christian König, Principal bei ROI-EFESO

 

Dank KI-basierter Technologien erfordert die Erstellung von Softwareanwendungen immer weniger Expertenwissen. Wie wirkt sich diese Entwicklung auf die industrielle Digitalisierung aus? Welche neuen Handlungsspielräume eröffnen sich für Fertigungsunternehmen?

Christian König: In der aktuellen Phase der Digitalisierung wird der Rollenwechsel bei den Technologietreibern stärker sichtbar, der seit ein paar Jahren stattfindet: Früher bestimmen die Investitionen von Traditionsunternehmen und Industriekonzernen die Rahmenbedingungen für IT-Innovationen, mit dem Consumer-Markt als Nebenschauplatz. Seit dem Aufkommen der New Economy hat sich dieses Verhältnis aber komplett gedreht – heute geben die Consumer die Technologietrends vor und die produzierende Industrie zieht nach. Mit den Entwicklungen rund um KI und Software-Coding gewinnt das nochmal an Dynamik, hier sind nun Fortschritte in Monats- statt Jahreszyklen die Folge.

Für die Fertigungsindustrie erhöht das nochmal den Druck, sich mit digitalen Geschäftsmodellen am Kunden zu orientieren, falls das bislang noch nicht oder nur in geringem Maße geschehen ist. Das lässt sich etwa bei Pharmaunternehmen beobachten, die sich von klassischen Cluster-Herstellern zu integrierten Health-Care-Providern weiterentwickeln. Zum Beispiel, indem sie neben dem Vertrieb ihrer Produkte auch über eine App mit dem Kunden in Kontakt treten, darüber medizinisch relevante Daten erfassen und die Produkte kundenindividuell anpassen können. Das ist schonmal ein wesentlicher Handlungsspielraum.

Vor allem entstehen also neue Wege, über die sich Produkte und Services an Kunden vermitteln lassen. Was wiederum auf Unternehmensseite erfordert, die angeschlossenen Operations-Prozesse mit hoher Flexibilität zu gestalten und zu betreiben, sei es in der Produktionsplanung, bei der Produktnachverfolgung oder im Innovationsmanagement.

Gernot Schäfer: Aus meiner Erfahrung setzen viele Industrieunternehmen bereits sehr bewusst auf Digitalisierung, um diese Flexibilität zu erreichen und zu sichern. Allerdings geht das oft mit der Sorge einher, die ebenfalls zunehmende Komplexität beim Management digitaler Transformation nicht mit den vorhandenen finanziellen und personalen Kapazitäten stemmen zu können.

Diese Situation mag den Alltag vieler Firmen prägen, aber hier sollte man optimistisch sein. Allein aus dem Grund, dass sich bereits viele kleine, spezialisierte Technologieanbieter etabliert haben, die der Industrie Aufgaben der Digitalisierung und Automatisierung verlässlich abnehmen und Schlüsselprozesse verbessern, anstatt sie zu verkomplizieren. Etwa im Falle plattformbasierter Ansätze, Stichwort „Containerisierung“: Fertigungsunternehmen müssen heute nicht mehr eine große, monolithische MES-Plattform einführen. Deren Leistung kann auf die Schultern einzelner Technologieanbieter verteilt werden, die jeweils besondere Stärken einbringen. Zugleich trägt dieses Vorgehen dazu bei, eine flexible, bessere Reaktionsfähigkeit im Umgang mit Kunden und Marktveränderungen zu erreichen.

 

Allerdings sind dann unterschiedliche Einzellösungen zu orchestrieren, was erneut Komplexität schafft …  

GS: Das lässt sich nicht direkt miteinander vergleichen – zwischen dem Management einer großen Plattformlösung und dem einer modularen Architektur aus Einzellösungen besteht ein großer Unterschied. Im zweiten Fall ist man nicht von einem oder wenigen IT-Dienstleistern abhängig. Man kann das, was nicht funktioniert, schnell beenden – und das, was gut funktioniert, skalieren. Also zum Beispiel eine APS-Lösung durch KI ersetzen.

Selbstverständlich kann die Anzahl der eingesetzten Lösungen in Summe Komplexität erzeugen, die man steuern muss. Damit sind Unternehmen aber ohnehin konfrontiert, sobald sie ihr Partner- und Zuliefernetzwerk im Sinne eines Eco-Systems weiterentwickeln. Die Grenzen zwischen Technologie- / IT-Architektur-, Portfolio- und Projekt-Management sind in diesem Fall fließend. Zudem gibt keinen „finalen“ Idealzustand für die technologischen Infrastrukturen. Deren Management ist ein dynamischer, fortschreitender Prozess, in dem sich auch die Schwerpunkte verlagern, an denen Komplexität entsteht.

CK: Der Erfolg von Transformationen wird immer von der Fähigkeit abhängen, Komplexität zu beherrschen. Dazu zählt die Priorisierung der Herausforderungen, etwa bei der Auseinandersetzung mit Themen wie „Datenqualität“ und „Datensicherheit“. Wir erleben auch bei sehr fortschrittlich digitalisierten Unternehmen, dass in diesen wichtigen Handlungsfeldern noch nicht alles optimal läuft. Dies ist aber die Grundlage für einen effektiven Einsatz von integrierten oder automatisierten KI-Systemen: KI-Algorithmen benötigen solide Datenstrukturen und eine sichere Datenverfügbarkeit, um ihr volles Potenzial zu entfalten.

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Wo sollten Unternehmen ansetzen, um diese Grundlage zu schaffen und ihre Daten optimal zu nutzen?

CK: Generell sollten sie die zentrale Bedeutung des Themas „Datenmanagement“ für ihre digitale Transformation anerkennen. Geeignete Ausgangspunkte entstehen, wenn strategische und operative Fragestellungen diskutiert und beantwortet werden. Etwa: mit welchen Produkten, Zielen und Akteuren lässt sich ein lukratives, datengetriebenes Geschäftsmodell aufbauen? Wie kommt eine Wertschöpfung durch Daten konkret zu Stande? Und wie ließen sich damit zukünftig welche Wettbewerbsvorteile erzielen?

Hierbei ist ein erweitertes Verständnis von „Datenqualität“ wichtig. Das bedeutet, den konkreten Mehrwert zu hinterfragen, der sich aus Investitionen in Technologien der Datenerfassung und -nutzung ergibt. Das können monetäre KPI sein oder die Vorteile, die in Richtung Kundenorientierung entstehen. Unbedingt sind auch die sogenannten „cost of doing nothing“ zu beziffern: Wie stark schadet es dem Unternehmen in Euro, wenn diese Themen vernachlässigt werden? Ab wann kann sich das geschäftsschädigend auswirken? Dies hilft, Investitionsziele und -erwartungen zu benennen und in ein realistisches Verhältnis zueinander zu bringen.

GS: Weiteren Handlungsbedarf sehe ich beim Thema Befähigung der Mitarbeiter. Jedem Mitarbeiter den Zugang zu den für ihn relevanten Daten zu eröffnen, ist ja nur der erste, infrastrukturelle Schritt. Dann muss es weitergehen mit Trainings und Kommunikation, um ein Bewusstsein zu schaffen für die Bedeutung und Potenziale der Daten.

Daher sollten Unternehmen ganz gezielt „Datenkompetenzen“ in ihrer Belegschaft aufbauen. Aktuell sind diese Fähigkeiten vor allem bei Data Scientists, Data Engineers und Data Analysts verortet. Diese Datenkompetenzen werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen, in allen Operations-Bereichen. Bits und Bytes in Information und Wissen zu verwandeln, reicht zukünftig nicht mehr aus. Zusätzlich müssen die Mitarbeiter in der Lage sein, die strategische Relevanz von Daten zu verstehen und dies in Ergebnisse zu bringen.

"Bits und Bytes in Information und Wissen zu verwandeln, reicht zukünftig nicht mehr aus. Zusätzlich müssen die Mitarbeiter in der Lage sein, die strategische Relevanz von Daten zu verstehen und dies in Ergebnisse zu bringen."

 

Welches Vorgehen empfehlen Sie, um dies bei der digitalen Transformation zu verwirklichen?

CK: Als Ausgangspunkt ist ein Zielbild, ein Handlungsrahmen wichtig. Um diesen zu skizzieren, ist z.B. eine Unterteilung in eine fachliche sowie eine organisatorische Dimension sinnvoll. Mögliche Schwerpunkte der fachlichen Seite können ein ganzheitliches Datenmodell der Fabrik oder ein Unified Namespace (UNS), also ein IIoT-Konzept sein. Im Vordergrund steht, für technische, kontextuelle und semantische Konsistenz im gesamten Datenmodell zu sorgen, also Inkonsistenten und Unschärfen aufzulösen.

Die organisatorische Dimension ergänzt das u.a. in Hinblick auf Data Governance und das Datenmanagement. Das ist nicht wie früher mit einer Stammdatenpflege erledigt, heute muss ein Solution-Architekt das gesamte Datenmodell der Fabrik mitkonzipieren, aufbauen und weiterentwickeln. Und auch darüber hinausdenken und zu neuen Themen sprachfähig sein, etwa zum Detail-Scheduling mit KI oder der optimalen Anbindung von Kunden und Lieferanten in die Systemwelt der Fabrik: Wie wirken sich solche Aspekte auf das Datenmodell aus? Wie gelingt die Orchestrierung der verwendeten IT- / OT-Technologien? Ohne einen solchen organisatorischen Rahmen funktionieren auch die besten Ideen in der Regel nicht.

GS: Natürlich hängt die Beantwortung dieser Frage auch von der Ausgangsituation im Unternehmen ab. Wer bereits eine progressive, datengetriebene Unternehmenskultur aufbaut, schaut natürlich anders auf das Thema als jemand, der sich erst seit kurzer Zeit mit der digitalen Transformation eines Werkes oder einer Fertigung beschäftigt. Ein weiteres, gängiges Szenario ist für uns, kippende Hochrisikoprojekte in der IT wieder zurück auf Erfolgskurs zu bringen, etwa im ERP oder SAP-Kontext. Hier gibt es Schnittmengen beim Vorgehen, etwa in der Fokussierung auf die Handlungsfelder Innovation, Wirtschaftlichkeit und Transformation.

 

Lassen Sie uns noch kurz die möglichen Auswirkungen von KI berücksichtigen. Wie nutzen Sie beispielsweise KI mit Ihren Kunden, um Komplexität zu beherrschen?

GS: Wir durchleuchten die klassischen Stationen des IT- / OT-Managements, also Strategie, Prozess, Anforderungen, Lösungsoptionen, Architektur – und ermitteln dann, an welchen Stellen der KI-Einsatz in dem Sinne lohnend ist, dass er zur bereits erläuterten strategischen Ausrichtung passt. Komplexität lässt sich dann an unterschiedlichen Stellen reduzieren: etwa, indem man mit KI die Produktionsplanung auf einem anderen Level betreibt als mit APS. Oder die Qualitätssicherung mit „Pattern Matching“ verbessert. Dazu kommen nur eben auch völlig verschiedene KI-Konzepte, Ansätze, Engines zum Einsatz.

CK: Hier sollte man ebenfalls den genannten „Dreiklang“ bei Innovation, Wirtschaftlichkeit und Transformation im Hinterkopf behalten. Dieser erweist sich nicht nur in unseren Vorgehensmodellen immer wieder als Erfolgsfaktor, sondern auch bei der Auswahl, Bewertung und Nutzung von Technologien wie KI.

Interviewpartner

 

Gernot Schäfer, Partner, ROI-EFESO

Gernot Schäfer, Partner, ROI-EFESO 

Gernot Schäfer unterstützt die Kunden von ROI-EFESO bei ihrer strategischen Ausrichtung in den Feldern „Operational Excellence“ und „Digitalisierung“. Seine Leidenschaft ist es, neue Informations-technologien in die Fertigungsumgebung zu bringen und Menschen mit zukunftsweisenden Innovationen zu begeistern.

 

Dr. Christian König, Principal, ROI-EFESO

Dr. Christian König, Principal, ROI-EFESO

Christian König begleitet Unternehmen in der digitalen Transformation. Gemeinsam mit seinen Kunden fokussiert er sich dabei auf die Prozess- und IT-Harmonisierung.

 

 


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Anna Reitinger

Anna Reitinger

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