Fehlerfreie Prozesssteuerung
Das Geheimnis der Intelligenz einer Smart Factory ist bereits gelüftet: Wer Materialien und Produkte mit Automatisierungs- und Managementprozessen bestmöglich verknüpft, kann auch komplexe Fertigungs- und Logistikprozesse effektiver und effizienter – und damit „intelligenter“ – gestalten. Dies beschleunigt allerdings zugleich die Entwicklung globaler Produktionsnetzwerke, innerhalb derer in den kommenden Jahren die Grenzen zwischen dem Unternehmen und seinen Partnern, Zulieferern und Kunden verschwimmen werden. Und genau das hat erhebliche Implikationen für das Qualitätsmanagement. Es gilt, Prozesse und Werkzeuge zur Qualitätssicherung an die Anforderungen der Smart Factory so anzupassen, dass diese ebenfalls hochgradig automatisiert und digital erfolgen. Stattdessen orientieren sich selbst Vorreiter der „intelligenten Fertigung“ nach wie vor an standardisierten und bereits definierten Produktions- und Qualitätsprozessen. Genau dies passt aber nicht zu den immer größeren und transparenteren Fertigungs- und Wertschöpfungsketten, die für eine fehlerfreie Produktion eine ständige Risikominimierung bei Qualitätsthemen erfordern.
Virtuelle Prüfung der Qualität
Enorme Hürden für die Qualitätssicherung stellen nicht nur kurze Produktlebenszyklen, Ressourcenknappheit sowie der Flexibilitätsdruck am Markt dar, sondern auch die zunehmende Komplexität der Entwicklungs- und Produktionsprozesse für individualisierte Serienprodukte. Für Hersteller bedeutet die digitale Vernetzung vor allem auch, dass sie auf individuelle Wünsche ihrer Kunden eingehen können. Denn immer mehr Verbraucher verlangen Produkte, die ihren persönlichen Bedürfnissen entsprechen – und das zu günstigsten Preisen. Insbesondere die Fertigung mit Losgröße 1 und die damit steigende Variantenvielfalt benötigen neue qualitätssichernde Maßnahmen.
Abhilfe können hier Simulationen sowie virtuelle Modelle bringen, die mit der steigenden Informationsdichte weiter an Bedeutung gewinnen. Mit den in der Vernetzung erfassten und aufbereiteten Echtzeitdaten, können Unternehmen Produktionssysteme realitätsgetreu abbilden. Dies ist die Grundlage, um Optimierungen, Inbetriebnahmen und Umstrukturierungen kostengünstig zu analysieren, virtuell zu simulieren und die effizienteste Lösung ohne größere Anpassungen oder Risiken in die Realität umzusetzen. Denn mit Hilfe virtueller Modelle lassen sich Produktivitätssteigerungen verwirklichen sowie Umrüstzeiten verringern. Diese Potenziale dienen insbesondere der Aufdeckung von Risiken, Effizienzsteigerungen und der Qualitätssicherung. So überprüft z.B. ein namhafter Hersteller von Anlagen für die Abfüllung und Verpackung mittels 3D-Simulationssoftware, ob neue Steuerungskonzepte funktionieren. Die dadurch getestete Steuerungssoftware kann dann 1:1 für die reale Anlage übernommen werden. Das sichert frühzeitig die Qualität und spart bei jeder ausgelieferten Maschine erhebliche Kosten.
Assistenzsysteme zur Fehlervermeidung
Insbesondere für Produktionsbetriebe ist die Qualitätssicherung der Prozesskette unerlässlich. Die erhoffte Flexibilität und Dynamik in den Produktionsabläufen einer Smart Factory kann jedoch im Extremfall dazu führen, dass jedes Produkt auf einem anderen Weg durch den Fertigungsprozess geschleust wird. Dies erschwert die Analyse von Fehlerbildern und die Ursachenidentifikation deutlich. Hier gilt es, das „Gedächtnis“ smarter Produkte zu nutzen, die sich ihren individuellen Produktionsweg beispielsweise mit Hilfe eines RFID-Chips einprägen können. Jedes Produkt erzeugt somit während seiner Durchquerung der einzelnen Produktionsschritte einen individuellen "Qualitätsabdruck", etwa vergleichbar mit einem Fingerabdruck. Dieser enthält je nach Bedarf nicht nur den gesamten Weg des Produktes, sondern auch qualitätsrelevante Informationen wie beispielsweise Fertigungstoleranzen.
Durch gründliche Datenerfassung und den entsprechenden Vergleich dieser Qualitätsabdrücke lassen sich Auffälligkeiten schnell erkennen. Im Idealfall schlagen spezielle Assistenzsysteme durch präzise Echtzeitmessungen schon vor der Fehlerentstehung Alarm. Generell sollten Unternehmen drei essentielle Elemente zur Qualitätssicherung in einer Smart Factory einsetzen:
1. Inline Quality Control
Um Produktqualität zu sichern, empfiehlt es sich, die Qualitätsprüfungen als Inline-Prüfung, also in die laufende Fertigungslinie zu integrieren. Dies sorgt für eine zuverlässige Rückführung von Messdaten und ermöglicht eine automatisierte Korrektur. Denn die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit qualitätsrelevanter Daten eines Produktes minimiert nicht nur Haftungsrisiken, sondern ermöglicht auch eine schnelle Eingrenzung von Fehlerquellen. Gleichzeitig ist eine automatisierte Korrektur beispielweise durch eine echtzeitgeregelte Montage möglich. Hier werden durch integrierte Messsysteme Materialparameter schnell und effektiv erfasst und Abweichungen zur nächsten Maschine gesendet, um ein Prozessparameterupdate durchzuführen.
2. Direkte und indirekte Prozessparameter
Für einen Vergleich mit Referenzmustern ist die Erfassung und Auswertung verschiedener Parameter notwendig. Dies sind sowohl direkte Prozessparameter wie unterschiedliche Kräfte oder Drehmomente als auch indirekte Prozessparameter wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit. So können bei Bedarf jederzeit proaktive Maßnahmen wie die Anpassung von Einstellparametern an der Maschine eingeleitet werden. Die Regelung der Prozessparameter allein reicht aber nicht aus, um eine fehlerfreie Produktion zu gewährleisten. Sie sind allerdings ein bedeutender Bestandteil der Vorbereitung von Entscheidungen über die Notwendigkeit und die Art eines Eingriffs in die untersuchten Produktionsprozesse.
3. Transformation von Big Data
In der Smart Factory ist es wichtig, die gewonnenen Informationsmengen von „Big Data“ in „Smart Data“ zu verwandeln – also in genau die Informationen, die für die Sicherung der Produktqualität relevant sind. Dabei sollten vor allem Medienbrüche vermieden werden, die sich fast zwangsläufig aus der Zusammenführung von analogen Informationen im operativen Bereich und digital strukturierten Datenbanken ergeben. Durch die Nutzung von Big Data können wichtige Analyseschritte durchgeführt werden, um maßgebliche Produktivitäts- und Qualitätsverbesserungen zu erreichen. Dazu gehören zum einen qualitätsbezogene Analysen, die zur Rückführung von Felddaten wie Druck, Temperatur oder Spannung sowie zur Mustererkennung und Ursachenforschung in Qualitätsstatistiken dienen. Zum anderen spielt die Analyse von Nutzungsdaten im Feld zur Optimierung der Entwicklung von Komponenten wie z.B. Pumpen, Batterien oder Bremskraftverstärker eine wichtige Rolle. Zudem ist der Einsatz von SCM-bezogenen Analysen zur frühzeitigen Erkennung von kritischen Supply Chain-Events von hoher Bedeutung. Hier lassen sich durch ein spezielles Anlageninformationssystem Muster bei Störungen und Ausbringungsmengen erkennen, das die Beseitigung von Fehlern beschleunigt und eine Verbesserung der Liefertreue mit sich bringt.
Qualitätssicherung und -management bleiben also auch in der Smart Factory wesentliche Erfolgsfaktoren. Die Unternehmen müssen daher beginnen, auf Basis der bereits verfügbaren Industrie 4.0-Technologien die erfolgversprechenden Handlungsfelder zu identifizieren, erste Pilotanwendungen umzusetzen und für sich eine individuelle Roadmap zu definieren.